Vom Nutzen des Glaubens

"Wofür brauchen die meisten Menschen den Glauben? Das ist die Kernfrage die sie sich stellen - es sollte aber die Frage sein:

Wem nützt es, wenn Menschen glauben?"

Diese Stellungnahme hinterließ ein Leser auf meinem Blog, als ich meine ersten Gehversuche im Glauben beschrieben habe.

Tatsächlich stellt man diese Frage bei vielem in unserer Lebenswelt. Funktion und Nutzen bestimmen unser Weltbild. Brauchen, gebrauchen, verbrauchen... ist alles, was nicht brauchbar ist, dann nutzlos?

Ist nun Glaube brauchbar, nützlich? Ist Liebe brauchbar? Oder Haß? Sind Gefühle insgesamt brauchbar - man könnte doch meinen, sie wären es nicht, denn sie stören das Zusammenleben. Wer sich schon einmal auf den ersten Blick verliebt hat, kann möglicherweise nachempfinden, dass dieses Ereignis das normale Leben auf den Kopf stellt und der Mensch selbst für einige Zeit "unbrauchbar" - weil mit anderem beschäftigt - wird.

Man könnte nun weiterfragen, ob den Glaube mit Liebe gleichzusetzen sei und ob denn dann Glaube in die Gefühlswelt einordenbar wäre.
Glaube bedeutet für mich zuallerst Vertrauen. Und dieses Vertrauen richtet sich auf etwas, dass außerhalb des begrifflich Fassbaren liegt. Auch die Liebe ist Vertrauen. Vertrauen in eine Person oder in mehrere in unterschiedlichen Facetten.
Also ist Glaube und Liebe gleichzusetzen, beides in die Gefühlwelt einordenbar - nicht nützlich oder brauchbar, nicht immer schön und einfach, oft auch schmerzhaft und kompliziert - aber es gehört zum Leben einfach dazu.

Glaube nützt nicht, Glaube ist. Glaube stellt nicht den Anspruch, nützlich zu sein. Menschen stellen den Anspruch, dass etwas brauchbar sein soll, was sie tun.
Glaube kann aber nicht für sich allein stehen. Dem Glauben müssen Taten folgen. Wenn ich mich in einen Menschen verliebe, werde ich alles tun, um ihm zu gefallen. Wenn ich an Gott glaube, werde ich mich bemühen, so zu leben, dass ich seinen Richtlinien gerecht werde. Diese Haltung muss sich dann im Leben der glaubenden Menschen niederschlagen. Beispielsweise wird
der glaubende Mensch für seine Mitmenschen jemand sein, der ihm über schwierige Phasen hinweghilft, er wird Hoffnung geben können - weil er selbst Hoffnung in sich trägt. Trost, Hoffnung, Liebe - genau das ist es, was Menschen in Grenzsituationen helfen kann. Nichtglaubende Menschen können das natürlich auch leisten. Aber glaubende Menschen tun das aus einem anderen Selbstverständnis.

Um die Frage zu beantworten: Ja, Glaube nützt den Menschen - und zwar allen. Merklich wird es aber paradoxerweise erst, wenn sie selbst den Glauben brauchen.
C. Araxe - 29. Mai, 01:08

Hm, O.K. Glaube ist einfach Glaube, ohne dies zu hinterfragen, weil Glaube. Aber wann wäre dieser paradoxe Punkt, wenn man Glauben braucht? Also es wäre und ist sicher für viele sehr hilfreich, sich seinen Beistand in schwierigen Situationen auf den Glauben zu berufen, aber das betrifft ganz sicher nicht überzeugte Atheisten. Meinerseits habe ich jedenfalls nie in Erwägung gezogen, dass religiös geprägter Glauben eine Hilfe für mich wäre. Hilfe, Menschlichkeit, Trost – all das gibt es (auf jeden Fall) jenseits von religiösem Glauben.

Nachdenkliche - 30. Mai, 20:47

Wann braucht man den Glauben? Es gibt Situationen, in denen es gut ist, wenn man auf ihn zurückgreifen kann, damit man nicht den Halt verliert. Der Tod nahestehender Menschen oder auch Krankheit wären solche Beispiele. Aber ich sehe den Glauben nicht als Dienstleistung (nach dem Motto: ich meld mich nur, wenn ich was brauche), sondern als Lebenseinstellung. Bei einem Freund meldet man sich ja auch nicht nur, wenn Feuer am Dach ist.

zu wvs: Selbstverständlich handeln alle Menschen unabhängig vom Glauben selbstlos - insgesamt sollten alle es öfter tun, dann würde vielleicht die Not etwas weniger.
C. Araxe - 29. Mai, 01:35

Aber wenn es darum geht, um allgemein zu glauben. Also ohne jeglichen religiösen Kontext. (Das war jetzt zuvor wohl auch kommentarmäßig zu sehr thematisch eingegrenzt.) Also wenn es die (positive) Einstellung betrifft, die jemand hat und dadurch andere überzeugen kann – d'accord.

Nachdenkliche - 30. Mai, 21:09

Wie lernt man Gott kennen?
Ich würde sagen, durch nachdenken und lesen und wieder nachdenken.
Auch durch das, was die katholische Kirche sagt - das liegt in meinem Fall nahe - aber es befreit keinesfalls von der Aufgabe, sich seine eigenen Gedanken dazu zu machen. Vielleicht ist es das, was Kirche und Gläubige verabsäumen. Nachzudenken, und zwar gründlich!

Mir fällt in diesem Zusammenhang Blaise Pascal ein. Er war Mathematiker, Physiker und ein schlauer Kopf zu seiner Zeit. Seine "Wette" war ein Versuch, zu zeigen, dass es durchaus vernünftig sein kann, an Gott zu glauben. Acht Jahre vor seinem Tod war er dann von diesem Gott so überwältigt, dass er einen Notizzettel mit seinen Gedanken in das Futter seines Mantels einnähen ließ.
(Blaise Pascal: Gedanken über die Religion, Kapitel 3 und Memorial Nr. 913)

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