Glaube
Es war einer der üblichen Sonntagvormittage. Gottesdienst um 10:00. Schon um 8:30 beginnen die Vorbereitungen, Sessel werden geschoben und Tische gedeckt für das anschließende Pfarrcafe, Kelch und Schale gerichtet, Bücher aufgeschlagen. Die Organistin spielt sich ein, die Blumenfee umsorgt die Dekoration vor dem Altar. Die Kantorin kommt pünktlich, die Lektorinnen knapp vorher. Viele bekannte Gesichter betreten die Kirche, grüßen fröhlich, manche erzählen von den Ereignissen der Woche. Es wird gelacht und geplaudert. Alles wie immer.
Fast.
Ein Sommervertretung für den eigenen Pfarrer ist vorgesehen. Fünf Minuten vor Beginn - keine Spur von ihm. Etwas unruhig wäge ich bereits Alternativen ab - Wortgottesdienst / Andacht / Absage...
Zwei Minuten vor Beginn - ein Auto fährt vor, ein Mann steigt aus, geht raschen Schrittes auf das Kirchengebäude zu. Sie sind der Priester? meine Frage. Ja. seine Antwort. Herzlich willkommen, bitte folgen Sie mir. Auf dem Weg zur Sakristei den Ablauf besprochen - eine kurze Ungereimtheit, ob eine oder zwei Lesungen stattfinden werden, ankleiden - 10:01. Wir können fast pünktlich beginnen.
Und so wurde Bartholomäus, der Aushilfspriesters- von den Insidern durch die Messe geleitet, die ihrerseits auf seine Gewohnheiten achteten.
Es war ein Geben und Nehmen - ein Schwingen von einem zum anderen - ein harmonisches Miteinander, bei dem nicht mehr zu erkennen war, dass Bartholomäus diese Kirche und ihre Mitarbeiter noch nie zuvor gesehen hatte.
Er freue sich auf ein Wiedersehen, sagte er beim Abschied.
Nachdenkliche - 14. Jul, 20:02
Es mag unvernünftig sein, an Gott zu glauben.
Was weiß man schon von ihm? Von diesem Hirngespinst älterer Damen, von dieser Projektion der menschlichen Einbildungskraft, vom Rettungsanker für jene, die es gerade notwendig haben? Verurteilt wird er, weil er die Welt im Stich lässt, dass er die Not nicht lindert, Krankheiten nicht wegzaubert, Kriege nicht verhindert. Für alles, was nicht funktioniert, machen wir ihn verantwortlich.
An so jemand zu glauben, kann augenscheinlich nur unvernünftig sein, fast fahrlässig und gefährlich.
Und trotzdem - ich glaube an diesen einen Gott, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, den Vater - ich glaube an Jesus Christus, und ich glaube daran, dass der Geist Gottes die Menschen durch die Zeit begleitet.
Man mag mich verrückt nennen - glauben Sie mir, ich halte das aus!
Nachdenkliche - 1. Jun, 20:37
"Wofür brauchen die meisten Menschen den Glauben? Das ist die Kernfrage die sie sich stellen - es sollte aber die Frage sein:
Wem nützt es, wenn Menschen glauben?"
Diese Stellungnahme hinterließ ein Leser auf meinem Blog, als ich meine ersten Gehversuche im Glauben beschrieben habe.
Tatsächlich stellt man diese Frage bei vielem in unserer Lebenswelt. Funktion und Nutzen bestimmen unser Weltbild. Brauchen, gebrauchen, verbrauchen... ist alles, was nicht brauchbar ist, dann nutzlos?
Ist nun Glaube brauchbar, nützlich? Ist Liebe brauchbar? Oder Haß? Sind Gefühle insgesamt brauchbar - man könnte doch meinen, sie wären es nicht, denn sie stören das Zusammenleben. Wer sich schon einmal auf den ersten Blick verliebt hat, kann möglicherweise nachempfinden, dass dieses Ereignis das normale Leben auf den Kopf stellt und der Mensch selbst für einige Zeit "unbrauchbar" - weil mit anderem beschäftigt - wird.
Man könnte nun weiterfragen, ob den Glaube mit Liebe gleichzusetzen sei und ob denn dann Glaube in die Gefühlswelt einordenbar wäre.
Glaube bedeutet für mich zuallerst Vertrauen. Und dieses Vertrauen richtet sich auf etwas, dass außerhalb des begrifflich Fassbaren liegt. Auch die Liebe ist Vertrauen. Vertrauen in eine Person oder in mehrere in unterschiedlichen Facetten.
Also ist Glaube und Liebe gleichzusetzen, beides in die Gefühlwelt einordenbar - nicht nützlich oder brauchbar, nicht immer schön und einfach, oft auch schmerzhaft und kompliziert - aber es gehört zum Leben einfach dazu.
Glaube nützt nicht, Glaube ist. Glaube stellt nicht den Anspruch, nützlich zu sein. Menschen stellen den Anspruch, dass etwas brauchbar sein soll, was sie tun.
Glaube kann aber nicht für sich allein stehen. Dem Glauben müssen Taten folgen. Wenn ich mich in einen Menschen verliebe, werde ich alles tun, um ihm zu gefallen. Wenn ich an Gott glaube, werde ich mich bemühen, so zu leben, dass ich seinen Richtlinien gerecht werde. Diese Haltung muss sich dann im Leben der glaubenden Menschen niederschlagen. Beispielsweise wird
der glaubende Mensch für seine Mitmenschen jemand sein, der ihm über schwierige Phasen hinweghilft, er wird Hoffnung geben können - weil er selbst Hoffnung in sich trägt. Trost, Hoffnung, Liebe - genau das ist es, was Menschen in Grenzsituationen helfen kann. Nichtglaubende Menschen können das natürlich auch leisten. Aber glaubende Menschen tun das aus einem anderen Selbstverständnis.
Um die Frage zu beantworten: Ja, Glaube nützt den Menschen - und zwar allen. Merklich wird es aber paradoxerweise erst, wenn sie selbst den Glauben brauchen.
Nachdenkliche - 26. Mai, 19:14
Ich bin in einem traditionellen katholischen Umfeld aufgewachsen. Der Kirchgang am Sonntag gehörte zu meiner Kindheit, wie die Hausübung zur Schule. Es war einfach so. Besonders interessant empfand ich beides nicht. Spaß hatte ich dabei auch nicht.
Das Leben verging, ich ging zur Erstkommunion, wurde gefirmt. Ich lernte einen Beruf, verliebte mich, bekam einen Sohn. Auch ihn wollte ich traditonell katholisch aufwachsen lassen. Taufe, Erstkommunion - das machte man einfach weil es dazugehörte.
Bei der Vorbereitung zur Erstkommunion fand auch ich wieder einen Zugang zur Kirche. Ich wurde Tischmutter und hatte Freude dabei. Mein Sohn wurde Ministrant. So gingen wir fortan - Mutter und Sohn am Sonntag in die Kirche. Irgendwie bin ich dann reingerutsch in das pfarrliche Leben. Zuerst wird man gefragt, ob man diesen und jenen Kuchen backen möchte, dann ob man eine Lesung übernehmen möchte. Das geht so weiter.
Mittlerweile bin ich mittendrin. Die Menschen haben mich zur Pfarrgemeinderätin gewählt, ich übernehme Aufgaben im Gottesdienst und in der Pfarre. Ich besuche Menschen, ich bin bei so manchen Gottesdiensten auch während der Woche dabei.
Und weil man ja wissen sollte, worum es bei diesem katholischen Glauben geht, habe ich angefangen, mich näher zu interessieren. Ich habe Kurse besuchte, sogar ein Studium begonnen. Ich war im Heiligen Land und habe mir die Orte angesehen, an denen Jesus gewirkt hat.
In manchen Momenten denke ich, wie schön und wunderbar doch dieser Glaube ist. Ich fühle mich getragen und geborgen von der Gemeinschaft. Wenn ich am Sonntag sage: 'Ja, ich glaube' - dann kommt es manchmal aus tiefstem Herzen. Aber es gibt die Schattenseiten. Das sind die Momente, in denen ich zweifle - an mir und meiner Zurechnungsfähigkeit. Ob man denn wirklich auf diesen Glauben bauen kann. Ob er Fundament für ein Leben sein kann. Oder ob er Flucht ist. Flucht aus einer Welt in eine andere, in der andere Dinge wichtig sein könnten, als in der realen.
Bin ich also wirklich zum Glauben gekommen?
Nachdenkliche - 8. Mai, 07:53
"Auf das Reden über das Gebet kommt es letztlich nicht an, sondern auf die Worte, die wir selbst zu Gott sagen... Ach, sie können leise, arm und schüchtern sein. Sie können wie silberne Tauben in den Himmel Gottes aus einem frohen Herzen aufsteigen, oder sie können sein wie der unhörbare Lauf bitterer Tränen. Sie können groß und erhaben sein wie der Donner, der sich in den hohen Bergen bricht, oder schüchtern wie das scheue Geständnis einer ersten Liebe. Wenn sie nur von Herzen kommen... dann hört sie Gott. Dann wird Er keines dieser Worte vergessen... und dann wird er uns geduldig zuhören, bis wir ausgeredet haben, bis wir unser ganzes Leben ausgeredet haben."
K. Rahner: Von der Not und dem Segen des Gebets. In: Imhof/Biallowons (Hg.), K.Rahner im Gespräch, Band 2 (1987-1982), 57.
Nachdenkliche - 23. Feb, 19:09
Die Liebe
...ist langmütig,
die Liebe ist gütig.
Sie ereifert sich nicht,
sie prahlt nicht,
sucht nicht ihren Vorteil,
lässt sich nicht zum Zorn reizen,
trägt das Böse nicht nach.
Sie freut sich nicht über das Unrecht,
sondern freut sich an der Wahrheit.
Sie erträgt alles,
glaubt alles,
hofft alles,
hält allem stand.
Quelle: 1 Kor 13,4-7 (EÜ)
Nachdenkliche - 3. Apr, 22:26
Vor einigen Monaten hatte mich eine ältere Dame auf einen Anbetungstag aufmerksam gemacht. Ihre Erklärung: Unser Gott... in Form der Hostie in der Monstranz... die am Altar steht, dürfe nicht alleine bleiben, und so wechseln sich die Damen stundenweise ab, um dem Herrn Gesellschaft zu leisten. Ob ich dazu nicht Lust hätte? Ich müsse nichts weiter tun, als da zu sein, und alles Weitere würde sich ergeben.
Die Vorstellung, eine Stunde allein in einer Kirche zu verbringen, Ruhe um mich, ohne Ablenkung, Zeit um Nachzudenken, meine Gedanken zu ordnen und das eine oder andere Gebet zu sprechen, schien mir verlockend.
Nun war es also soweit, bereits vor zwei Wochen hatte ich mich hochoffiziell eingetragen in eine Liste. So wie es für alles im Leben ein erstes Mal gibt, war auch heute einer dieser Momente. Eine leere Kirche, auf dem Altar die Monstranz umringt von Blumen, zu beiden Seiten brennende Kerzen, davor leuchtend gelbe Sonnenblumen.
Als ich nun wirklich in der Kirche saß, gingen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Was soll ich tun? Was denken? Ach ja, das Bad wäre auch noch zu putzen.... Wer mich kennt, weiß, dass ich erstens sehr schlecht bin, im Nichtstun und zweitens meistens mehr als einen Gedanken im Kopf habe. Schlechte Vorzeichen, vielleicht war es doch ein Fehler....
Auf den Bänken waren Broschüren ausgelegt, in denen stand, was zu tun war. "Sprich mit Gott in deiner Sprache!" Immer wieder die gleiche Botschaft.
Also dann sprach ich mit Gott in meiner Sprache. Je länger ich unbeweglich in der Kirchenbank saß, und meine Gedanken Gott zuwandte, umso klarer schien mein Leben und einfacher die Lösung mancher Probleme. Wenn die Gedanken abzuschweifen begannen, zwang ich sie durch das Beten mit dem vorsorglich mitgebrachten Rosenkranz in die gewünschte Ordnung.
Die Stunde verging wie im Flug, wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich gerne mehr Zeit verbracht. Befreit, ruhig und zuversichtlich verließ ich die Kirche und die ersten Sonnenstrahlen nach dem eben noch prasselnden Regen fielen vor meine Füße.
Letztendlich kann ich sagen, dass diese Stunde eine wunderbare Erfahrung war, die ich gerne wieder machen möchte.
... im Übrigen werde ich mich bei nächster Gelegenheit bei der alten Dame von damals bedanken...
Nachdenkliche - 1. Aug, 19:17